Eisenbahn-Neubaustrecke Wendlingen – Ulm & Stuttgart 21
Sommer-Exkursion 2022

Bilder von der Exkursion

Große Sommer-Exkursion am Institut für Verkehrswegebau zu den Baustellen „Eisenbahn-Neubaustrecke Wendlingen – Ulm“ und „Stuttgart 21“

Am 12. und 13. Oktober fand die große Sommer-Exkursion des Instituts für Verkehrswegebau statt. Diese führte uns dieses Jahr zu den größten Eisenbahnbaustellen Europas: „Bau der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen-Ulm“ und „Stuttgart S21“.

Tag 1

Die Exkursion startete um 7 Uhr morgens an der Lichtwiese mit einer Busfahrt in Richtung Wendlingen. Um ca. 11 Uhr kam der Bus an der Baustelle an. An den Exkursionsstandorten wurden die Teilnehmenden zwei Tage hintereinander von Herrn Dr. Ondrej Tomaschko geführt. Weitere Bahnexperten kamen im Laufe des Programms dazu.

Zu Beginn des ersten Exkursionstages wurde die sogenannte „Kleine-Wendlinger-Kurve“ besichtigt. Hier befindet sich ein Übergang von der Bauart „Feste Fahrbahn“ zum „Schotteroberbau“. Damit bot sich den Exkursionsteilnehmenden die Möglichkeit an, den Einbau einer neuartigen Übergangskonstruktion „V-TRAS“ der Firma Rhomberg Sersa zu begleiten. Diese Konstruktion wurde an diesem Tag zum ersten Mal in Deutschland realisiert.

  • Fachlicher Exkurs: Bei einem Übergang im Eisenbahnverkehr ist ein ruhiger Überlauf des Fahrzeugs hinsichtlich des Fahrkomforts und der Sicherheit von großer Bedeutung. Die Übergänge jeglicher Art im Eisenbahnverkehr müssen sehr sorgfältig gestaltet werden und eine hohe Gleislagequalität über einen langen Zeitraum gewährleisten.

Anschließend ging es zum Westportal des Albvorlandtunnels der NBS Wendlingen-Ulm. Dort konnte u.a. die Oberbauart Feste Fahrbahn RHEDA 2000, zwei Weichen in Fester Fahrbahn mit beweglichem Herzstück sowie eine Optionsweiche besichtigt werden. Die hochkomplexen Bauteile der Hochgeschwindigkeitsweichen konnten hautnah besichtigt werden. Die Funktionen der Bauteile wurden durch Herrn Torsten Weinhold, Teamleiter Ausrüstung der NBS Wendlingen-Ulm und S21 Los D, aufschlussreich erläutert. Weiter ergänzte Herr Weinhold zusätzliches Eisenbahnwissen wie z.B. die Funktion der Vermarkungspunkte und die Feststellung des Setzungsverhaltens entlang eines Bahnköpers.

Die Besichtigung am Westportal ging weiter auf der Neckartalbahnbrücke und Neckarbrücke. Frau Prof. Liu erläuterte die Funktion der dort vorliegenden Schienenauszüge und Fahrbahnüberbrückungskonstruktionen (FÜK). Auch die Interaktion zwischen Eisenbahnfahrbahn und Tragwerk wurde in einer verständlichen Form dargestellt.

In der zweiten Tageshälfte ging es dann zur Besichtigung der Lose D und C des Projekts Stuttgart 21 (S21). In Los D konnte der Betonier-Vorgang der Festen Fahrbahn von der Betoneinbringung über das Verdichten und Glätten bis hin zur Aufbringung des Nachbehandlungsmittels verfolgt werden. Das durch die Firma Rhomberg Sersa entwickelte Einbauverfahren für Feste Fahrbahn-Tragplatten zeigte hohe Effizienz und hohe Genauigkeit.

  • Fachlicher Exkurs: Der Rheda 2000 – FF besteht aus Frostschutzschicht, hydraulisch gebundener Tragschicht (HGT) und Tragschicht mit integrierten Bi-Block-Schwellen. Die Herstellungsgenauigkeit bezogen auf die Schienenoberkante liegt bei 0,2 mm.

Danach ging es weiter zum Ostportal des Fildertunnels in Los C des Projekts S21. Herr Lei Shen, technischer Projektingenieur Spezialist Fahrbahn, begleitete uns bei der Besichtigung der Fahrbahnplatte Bauart „Porr“ innerhalb des Fildertunnels. Bei diesem System werden die Teilmodule in einem Fertigteilwerk vorgefertigt und anschließend auf der Baustelle eingebaut. Die Porr-Platten wurden durch hochpräzise Vermessungsinstrumente vormontiert. Der Verbund zwischen den Fertigteilplatten und der Ausgleichsschicht auf Tunnelsohle erfolgte durch selbstverdichtenden Beton. Die hier angeforderte Einbaugenauigkeit, bei der Gleislage, liegt ebenfalls bei 0,2 mm.

Zur Gewährleistung der Rettungs-/Fluchtwege wurde die Feste Fahrbahn in Tunneln mit mehr als 1000 Meter Länge für Straßenfahrzeuge befahrbar ausgeführt. Dadurch können Rettungsfahrzeuge die Strecke im Notfall problemlos befahren. Die Herstellung und Ausführung der Befahrbarkeitsplatten ist je nach Oberbauausführung unterschiedlich. Diese wurden im Laufe des Projekts direkt auf der Baustelle zusammen mit den Fahrbahnherstellern entwickelt.

Zusätzlich wurde den Exkursionsteilnehmenden die Tunnelbauweise mit Einsatz von Tübbingen vorgestellt. Der ereignisreiche und spannende, aber auch durchaus anstrengende erste Exkursionstag wurde mit einem Besuch eines Bad Cannstätter-Restaurants abgeschlossen.

Tag 2

Der zweite Exkursionstag begann um 8:30 Uhr am Bahnhof Bad Cannstatt. Von dort sind Herr Guillaume de Moussac und Herr Mohamed Farag, Fahrbahn-Spezialisten der DBProjekt Stuttgart-Ulm GmbH, dazu gestoßen. Gemeinsam ging es zu Fuß zur Neckarbrücke. Die in Stahlverbundbauweise ausgeführte Neckarbücke bietet Platz für zwei Fernbahngleise und zwei S-Bahn-Gleise und soll durch die Ausführungsart als Stahlsegelbrücke ein neues Symbol der Stadt werden. Weiter liegt diese vierspurige Eisenbahnbrücke mitten in einem bedeutendem Verkehrsknoten mit mehrspurig ausgebauten Straßen, Stadtbahnen, Radwege und einer Fußgängerbrücke. Besonders an solchen Stellen wird die Tragweite des Fachs „Verkehrswegebau“ nochmals mehr als deutlich.

Die Neckarbrücke fordert durch ihre besondere Gestaltung und die große Spannweite die Fahrbahningenieure an mehreren Stellen heraus. Herr de Moussac erläuterte die Details der Planung und dem Bau der Fahrbahn auf dieser Brücke. Die Gestaltung des Übergangs vom Tunnel mit Fester Fahrbahn auf den weichgelagerten Schotteroberbau auf der Brücke ist sehr komplex. Bisher lag kein konkretes Beispiel und keine klare Vorgabe für die Ausführung der Fahrbahn in diesem Bereich vor. Die ausführende Firma Eiffage hat uns ausführlich berichtet, was in der Praxis an solchen Stellen zu beachten ist.

Direkt im Anschluss an die Brücke erfolgte der vier Kilometer lange Fußmarsch durch den Bad Cannstätter-Tunnel bis hin zum neuen unterirdischen Hauptbahnhof des Projekts S21. Auch in diesem Tunnel wurde die Oberbauart Feste Fahrbahn RHEDA 2000 verbaut. Zusätzlich konnten verschiedene Tunnelbauweisen (bergmännisch, offene Bauweise) bestaunt werden. Der Bad Canstätter Tunnel mündet in den Nordkopf des neuen Hauptbahnhofs. Dort verzweigt sich die Fahrbahn, weshalb mehrere Weichen notwendig sind. Bei einem bestimmten Abschnitt war hier ein Erschütterungsschutz für die darüber liegenden Bauwerke und Baugründe erforderlich. Die Entkoppelung des Bahnkörpers zur Tunnelwand erfolgte durch die Ausführung als sogenanntes Masse-Feder-System (MFS) mit Eigenfrequenzen von 31.5 bis hinzu 6.3 Hz. Herr Dr. Tomaschko erklärte die Ausführungsschritte des schweren MFS.

  • Fachlicher Exkurs: Die MFS-Platten haben teilweise sehr beachtliche Dimensionen. Als Beispiel wurde eine Platte mit einer Länge von 400 m und über 0,8 m Dicke genannt. Die Breite der Fahrbahn entspricht der Breite der vorgesehenen Fahrbahnplatte an der Tunnelsohle.

Im zweiten Teil des Tages erfolgte die Besichtigung des Rohbaus der Bahnsteighalle mit den prägnanten Kelchstützen. Diese befanden sich in verschiedenen Bauzuständen (Schalungsaufstellung, eingeschalt, ausgeschalt). Die Führung erfolgte durch Herrn Andreas Eckstein, Spezialist bei der DBProjekt Stuttgart-Ulm GmbH. Er erläuterte die Besonderheit bei der Gestaltung des neuen Durchgangsbahnhofs in Stuttgart. Zum Schluss des zweiten Exkursionstages wurde von Herrn Mohamed Farag die neue, im Rahmen des Projektes S21 errichtete Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie vorgestellt.

Nach einem erneut sehr inhaltsreichen und informativen Tag und knapp 17.000 gelaufenen Schritten erfolgte um 18 Uhr die Heimfahrt Richtung Darmstadt.

Ein großes Dankeschön gilt den Fachexperten und Spezialisten der Deutschen Bahn: Dr. Ondrej Tomaschko, Torsten Weinhold, Lei Shen, Guillaume de Moussac, Mohamed Farag und Andreas Eckstein sowie den Baufirmen Rhomberg Sersa und Eiffage, die diese interessante zweitägige Exkursion möglich machten.